Letzte Woche, auf einer Chorversammlung in New York, wo sich direkt die Eindrücke der künstlerischen Höhenflüge (vgl. Matthäuspassion und Rachmaninow) mit denen einer gefühllos anmutenden Behandlung durch die Gesellschafter vermischten, verabschiedete der Chor folgendes Schreiben an vier hochrangige Vertreter der Gesellschafter der roc berlin.
Sehr geehrte Staatsministerin Prof. Monika Grütters,
sehr geehrter Staatssekretär Tim Renner,
sehr geehrter Herr Dr. Steul,
sehr geehrte Frau Reim,
wir, die Sängerinnen und Sänger des Rundfunkchores Berlin, haben das dringende Bedürfnis, uns mit diesem Brief an Sie zu wenden.
Wie Sie wissen, befindet sich der Rundfunkchor Berlin seit zweieinhalb Jahren in von Ihnen beauftragten Tarifverhandlungen. Seit der Verweigerung der Inkraftsetzung des nun ausgehandelten Tarifvertrages können wir nicht mehr mit Ruhe und der gebotenen freien künstlerischen Ausdruckskraft unserer eigentlichen Arbeit, dem Singen auf höchstem künstlerischen Niveau, nachgehen. Sie können sich vielleicht gar nicht vorstellen, wie es ist, auf internationalen Konzertpodien begeistert gefeiert zu werden und dabei stets präsent zu haben, dass einige unserer Gesellschafter unsere Arbeit anscheinend nicht vollumfänglich achten und entsprechend wertschätzen. Wir erleben im Moment ein gezieltes Kleinreden und Beschwichtigen von allseits bekannten Fakten. Das Mandat Ihres Verhandlungsführers wird plötzlich infrage gestellt, Gesellschafter sollen nicht über die Finanzsituation informiert gewesen sein, obwohl es nachweislich eine lückenlose Dokumentation und Berichterstattung über die jeweiligen Verhandlungsstände und Ergebnisse im Kuratorium der ROC GmbH gab.
Sie wissen um unsere desaströse Gehaltssituation. Hier in New York erleben wir wieder einmal, dass Leistung sich nicht lohnt. An der Seite der Berliner Philharmoniker stehen wir als Hochkulturbotschafter Deutschlands und der Stadt Berlin auf dem Podium und begeistern das New Yorker Publikum. Dabei sind wir stets hin und her gerissen, wissend, dass Applaus allein uns nicht ernährt. Noch kurz vor der Reise erhielten wir die Botschaft von Ihnen, dass insbesondere szenische Projekte zum „normalen“ Arbeitsspektrum eines Rundfunkchores gehören sollen. Weltweit sind wir gegenwärtig aber der einzige Rundfunkchor, der derartige Konzerte realisiert.
In den vergangenen zehn Jahren haben wir uns eine ausserordentliche Stellung im internationalen Umfeld erarbeitet, die unter den professionellen deutschen Chören ihresgleichen sucht.
Die Tatsache, dass zwei Orchester unserer ROC GmbH komfortabel beschäftigt werden, lässt uns wie Musiker zweiter Klasse erscheinen. Wir haben zusammen mit den Kollegen der Orchester studiert, die gleiche Ausbildung durchlaufen, zur gleichen Zeit unsere musikalische Laufbahn begonnen und werden trotz weltweiter Erfolge und medialer Präsenz seit Jahren finanziell wesentlich schlechter gestellt.
Wir fordern Sie auf, diese unerträgliche Gesamtsituation zu beenden. Wir erwarten von Ihnen Achtung und Fairness.
Hochachtungsvoll
Der Rundfunkchor Berlin
[Unterschriften aller in New York anwesenden Chormitglieder]
18. Oktober 2014 at 9:56
Sehr geehrter Herr Stingel,
Ich wünsche mir schon seit langem die Gleichstellung der Professionellen Sänger gegenüber der Orchestermusiker. Ich bin seit über zwanzig Jahren in diesem Segment tätig und empfinde diesen Zustand als Demütigung. Noch größer wird das im Opernbetrieb sichtbar. Ich wünsche meinen Kollegen alle Krafft um diesen Arbeitskampf zu gewinnen, wobei ich die Stumpfheit unserer Kulturverwalter für ein unüberwindliche Hürde erleben musste. Toitoitoi Ihr G.Sterzl Köln
18. Oktober 2014 at 9:59
Lieber Guido Sterzl,
besten Dank für Ihren verbalen Beistand! Wir haben noch nicht aufgegeben …
Herzliche Grüße
David Stingl